Historisches - SPD Ortsverein Templin Uckermark

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Historisches


















 
20 Jahre friedliche Revolution
Auszug aus der Rede von Dr. Wolfgang Seyfried (11. März 2010)

(…) 20 Jahre friedliche Revolution, 20 Jahre SPD in Templin. Ich habe in der Geschichte nicht intensiv geforscht, sicher dürfte aber sein, die SPD ist nicht erst seit 20 Jahren in Templin aktiv. Natürlich war die SPD auch schon zuvor hier. Die Nazidiktatur war für die Templiner SPD zweifellos eine schwere Zeit und die Zeit ihrer Aktivität nach dem Krieg nur sehr kurz. Dann wurde die SPD auch in Templin von der Kommunistischen Partei Deutschlands übernommen. Auch andere ehemals unabhängige Parteien wurden gleichgeschaltet und der Diktatur der SED unterworfen. Schild und Schwert dieser Partei wurde das Ministerium für Staatssicherheit, alle Schlüsselstellungen in Wirtschaft und Politik wurden besetzt, jeder Widerstand durch „Zersetzung“ oder Gewalt beseitigt. Viele arrangierten sich, etliche zogen sich in ihre private Nische zurück, der Rest der Bevölkerung war nur durch Einmauerung zu halten.

Und trotz des durchgängigen SED-Parteienfilzes, der letztlich die DDR in den wirtschaftlichen und moralischen Ruin trieb, war 1989 der Druck so groß geworden, dass eine friedliche Revolution stattfinden konnte. Viele Einzelpersonen, die Kirchen und neue Organisationen wie „Demokratie jetzt“, „Initiative Frieden und Menschenrechte“, das „Neue Forum“ und eben auch die wiedergegründete SDP/SPD.

Die Anfänge waren mehr als bescheiden. Am 09.11.1989 traf sich das Ehepaar Schirrmeister aus Templin um 14.00 Uhr mit Konrad Elmer in Berlin – so hat es Edda Schirrmeister einmal aufgeschrieben. Auf diesem Weg fanden die ersten Materialien, z.B. das provisorische Statut der SDP, den Weg nach Templin. Wenige Tage später waren die ersten Aktivitäten zu verzeichnen.

Unter dem Datum 13.11.1989 schreibt Edda Schirrmeister:  
In Templin nahm die Wende als friedliche Revolution ihren Lauf.“ Und weiter: „Um 19.00 Uhr fand eine Kundgebung auf dem Markt Templin statt. Wer öffentlich sprechen wollte, erhielt das Wort. Als Dritter sprach der SED-Kreissekretär Horst Puppe und wurde durch Bierbüchsen schwenkende Jugendliche und andere Templiner ausgebuht bzw. ausgepfiffen.“ Viel besser erging es dem Ehepaar Schirrmeister auch nicht, die ein Transparent mit der Aufschrift: „Wir sind wieder da – SPD“ mitgebracht hatten.

Die Führungsgruppe der Bezirksdirektion der Volkspolizei Neubrandenburg schreibt in ihrem Lagebericht für den Zeitraum 13.11.1989, 05.00 Uhr bis 14.11.1989 05.00 Uhr unter Punkt 3:
Templin, Friedensgebet in der evangelischen Kirche mit anschließender Kundgebung auf dem Markt, Zeitraum: 18.00 – 20.45 Uhr. Ca. 1.200 Teilnehmer in der Kirche, danach ca. 4.000 Teilnehmer auf dem Markt. Redner: 1. Sekretär der KL-SED (wurde nicht angenommen, Pfiffe) und weitere Bürger. Redeinhalte: Reisefreiheit und Freie Wahlen. Ein Transparent: „Für SDP“

Unter dem Polizeibegriff „…und weitere Bürger“ verbergen sich eben Ulli Schirrmeister, der für den SPD-Vorläufer SDP sprach und ich (Wolfgang Seyfried), der für das Neue Forum sprach.  
Direkt vor dem Anhänger, auf dem die Redner standen, hatte sich der „SED-Fanblock“ positioniert und buhte heftig gegen ihren neuen Feind, die SPD.

(…) Eine Woche später, im Anschluss an das Friedensgebet am 20.11.1989 war ein erstes Treffen von SPD-Interessierten geplant. Ein Klassenzimmer in der Goetheschule war reserviert, es kamen ca. 60 Personen und der Umzug in die Aula war notwendig.

Zu den Ersten, die sich für die Wiederentstehung der SPD in Templin einsetzten, Verantwortung übernahmen und Risiko trugen, gehörten neben dem Ehepaar Schirrmeister, der Superintendent i.R. Hans Werner Schulz. Er spielte später noch eine große Rolle im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Strukturveränderung der Landkreise. Weitere Namen, die die Wiederentstehungszeit der SPD in Templin prägten, sind Ullrich Schoeneich – Bürgermeister von Templin (1990 bis 2010); Herbert Riedner – später ehrenamtlicher Bürgermeister in Milmersdorf und inzwischen leider verstorben; Dr. Horst Albrecht –Stadtverordneter und Kreistagsmitglied (Anm.: verstorben im Jahr 2015); Hanni Paesler und Gottfried Kerner – Stadtverordnete; Wilfried Paesler – Kreistagsmitglied; Heinz Barth und natürlich nicht zu vergessen: Karl-Heinz Schade – inzwischen auch verstorben – der mir damals aber als wortgewaltiger und sehr direkter Vorsitzender der SPD im Kreistag Templin auffiel. Ihm verdanke ich es, dass ich nach dem de facto Ende des Neuen Forum nicht einfach nach Hause gegangen bin, sondern heute hier an dieser Stelle stehen darf. (…)

Aus den Rufen „Wir sind das Volk!“ wurde sehr bald „Wir sind ein Volk!“ Und auch wenn bei den ersten freien Volkskammerwahlen am 18.03.1990 im Bereich Templin die SPD führte, war es letztlich der Wille des überwiegenden Teils der Bevölkerung, einen schnellen Anschluss an das Bild zu erreichen, das (der CDU-Bundeskanzler) Helmut Kohl versprach: Blühende Landschaften. An Industriebrachen, leere Gewerbegebiete und stillgelegte Ackerflächen haben dabei sicher viele nicht gedacht. An die entsprechenden Auswirkungen auf das Arbeitsplatzangebot auch nicht. (…)

 
Historie der Sozialdemokratie in Templin
Auszug aus der Rede zum Jahresempfang 2013 der Templiner SPD (Dr. Wolfgang Seyfried)

(…) In meiner Schulzeit in den 1960er Jahren spielte Heinrich Heine eine Rolle im Deutschunterricht: „Im düstern Auge keine Träne, Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne, Deutschland, wir weben dein Leichentuch, Wir weben hinein den dreifachen Fluch – Wir weben, wir weben.“ Heinrich Heine 1845 – Die schlesischen Weber.
Der Hintergrund: Ein Jahr zuvor war der Aufstand der schlesischen Weber vom preußischen   Militär zerschlagen worden. Es gab Tote, Verletze und viele Menschen, die über Jahre im Gefängnis saßen. Die Mitte des 19. Jahrhunderts war eben nicht nur einsetzende Mechanisierung und Aufbruch in das Industriezeitalter. Sondern auch die Verelendung breiter Massen und eine für uns heute unvorstellbare Rechtlosigkeit des arbeitenden Volkes waren Lebensalltag. Insofern war es auch kein Zufall, dass sich in genau dieser Zeit viele Menschen   Gedanken machten – wie kann Abhilfe geschaffen werden. In materieller Weise – Not lindern, aber auch grundsätzlich – die Auseinandersetzung mit den sozialökonomischen   Rahmenbedingungen, die für diese Not ursächlich war.
Es ist keine zufällige zeitliche Nähe, dass sich auf der einen Seite vermehrt Menschen   engagierten, die aus christlicher Nächstenliebe Not lindern wollten und diverse örtliche Hilfsvereine gründeten, zum Beispiel in Templin den Gründungsverein des Waldhofes, sich     aber auf der anderen Seite auch Arbeiter zusammenschließen, um mehr Rechte, mehr Mitbestimmung zu erreichen.   
„Einigkeit macht stark!“ Die rote Fahne mit dieser Aufschrift und dem Slogan „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“ trägt das Datum 23. Mai 1863. Dieses Datum gilt als das Gründungsdatum der SPD, seitdem gibt es eine erkennbare Kontinuität der Aktivitäten. Templin lag weitab von den Arbeiterhochburgen und das ist auch heute noch so. Die Entstehung der SPD in Leipzig 1863 schlug in Templin offensichtlich erst einmal weniger durch, als an anderen Stellen Deutschlands.  
Als sich 1997-1998 der Superintendent i. R., Hans-Werner Schulz mit der Templiner SPD-Geschichte beschäftigte, stieß er auf wenig sachdienliches Material. (…) Sicher haben auch Kriegseinwirkungen und die Zeit, die Zeitzeugen rar macht, ihren Anteil dazu beigetragen. Wie oft sagen Erben: „Ach das alte Zeug kann weg.“ Und wie oft ist auch das Tagesgeschäft dringender, als die Beschäftigung mit der Vergangenheit. (…)  
Zu den Ergebnissen, die Hans-Werner Schulz damals gefunden hat, habe ich viele Fragen – und   auch von ihm bekommen wir keine Antworten mehr. In einem Artikel der Templiner Zeitung aus dieser Zeit berichtet Frau Buchmann unter dem Titel „Auf Suche nach SPD-Geschichte“ von seinen Recherchen. Aus dem wenigen Material, das vorliegt ist zu entnehmen: „Am 27.11.1918   wird der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass der Arbeiterrat von dem Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte Berlin bestätigt worden sei. Dieser Arbeiterrat wurde laut dieses Dokuments am   19.11.1918 von dem Sozialdemokratischen Wahlverein Templin gewählt.“ Offensichtlich hat   die SPD zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht als Partei bestanden. In dem Artikel von Frau Buchmann heißt es weiter: „Zum Widerstand gegen den Kapp-Putsch riefen im März 1920 dann allerdings schon die sozialdemokratischen Parteien des Kreises Templin auf.“.  
In einem Papier, das möglicherweise die Zusammenstellung dessen ist, was Hans-Werner Schulz zusammengetragen hat, heißt es: „Um 1894/95 wurde der SPD-Wahlverein gegründet, ab 1900 lagen bis zum Bombenangriff noch Unterlagen vor.“ (Anm. Bombenangriff 6.3.1944) Und weiter ist zu lesen: „1918 wurde die SPD wieder gegründet in Templin, Lychen, Himmelpfort, Gerswalde. Zu den Gründern gehörte der heute noch lebende Gen. Perlwitz.“ Der Niedergang demokratischer Strukturen und der Terror gegen alle Menschen, die nicht in dem Regime des Nationalsozialismus mitarbeiten wollten, zeigte Wirkung. Vermerkt ist: „Am 1. Mai 1933 marschierten Gruppen von Arbeiterorganisationen ungehindert mit ihren roten Fahnen mit. Am 2. Mai setzten dann Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen durch SA verstärkt ein.“
Nach 1945 war zweifellos das Überleben in einem zerstörten Umfeld, die Sicherung von Lebensmitteln und Unterkunft, aber dazu auch die Aufnahme vieler Vertriebener und Geflohener, der Lebensmittelpunkt. Daneben haben sich die Strukturen, auch die der Parteien, neu entwickelt. Die Abschrift des Protokolls der Kreisdelegiertenkonferenz der SPD im Strandcafé in Templin am 23.03.1946 ist das nächste vorliegende Dokument. Überlebt hat es sicher auch deshalb, weil der Tagesordnungspunkt 2. das Hauptreferat beinhaltete: „Die   Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Referent: Genosse Baumann, Bezirkssekretär Eberswalde“. Interessant fand ich einen der ersten Sätze nach der Aufführung der  Tagesordnung, da heißt es: „Abweichend von der Tagesordnung erteilt der Vors. Gen. Bauer  den als Gast geladenen Gen. Donath von der KPD das Wort...“ Spannend sind aber auch die genannten Zahlen der Mandatsprüfungskommission. Demnach gab es im Kreis Templin zu   diesem Zeitpunkt 2.250 SPD-Mitglieder. Die größten Ortsvereine waren Zehdenick 556, Templin 375 und Lychen 298. Am Folgetag fand der (erzwungene) Zusammenschluss der SPD mit der KPD zur SED statt.  
1989 wiederum ein Neuanfang. Die Vorbereitung für die Gründung eines Ortsverein der SDP fand in Berlin mit der Begegnung des Ehepaar Schirrmeister mit Konrad Elmer am 09.11.1989 statt – der erste öffentliche Auftritt bei einer Kundgebung auf dem Templiner Marktplatz am 13.11.1989: „Wir sind wieder da – SPD“ (Schild, Transparent). Am 25.01.1990 fand dann die Gründungsversammlung statt – Karl-Heinz Schade wurde der erste Vorsitzende. Mit der Vereinigung der SPD der alten Bundesländer und der SDP aus den neuen Bundesländern bei dem Parteitag vom 22. – 25.02.1990 in Leipzig kam die SPD endgültig auch wieder in Templin an. Der SPD-Kreisvorstand Templin gab den „Uckermark Kurier“ heraus, die letzte Volkskammerwahl als erste freie Wahl seit Jahrzehnten fand statt. Und zumindest hier im damaligen Wahlkreis 5 wurde die SPD mit 36,7% vor der CDU mit 26,3% und der PDS/LL mit 19,7% stärkste Partei.  
(…) Die dann folgenden Jahre waren von Arbeit, Veränderung und Weiterentwicklung geprägt. Die SPD war und ist verlässlicher Partner in der politischen Landschaft. Die Aufforderung an alle am gesellschaftlichen Leben beteiligten Mitmenschen ist über die Jahrzehnte geblieben. Wir müssen uns bewegen, um etwas zu bewegen – sonst werden wir bewegt, wie Marionetten. Wir müssen Mitbestimmung gestalten und uns einbringen – sonst wird über uns bestimmt. (...) Es sind Menschen, die sich einbringen und entscheiden. Und es ist gut, dass es diese Menschen gibt, die für uns in einer parlamentarischen Demokratie ihren Hut in den Ring werfen und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – wie die Gründergeneration vor über 150 Jahren und in den Jahren 1989/1990.
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